Mein Name ist Mario Haselberger, ein „alter Neuling“, 1968 geboren, welchen Handwerk in vielen Bereichen, rein als Hobby, schon sein ganzes Leben begleitet. So verwundert es nicht, dass mich der Bau eines Schildes bereits beim Eintritt in unseren Mittelalterverein "Securi et Gladio" reizte, daher habe ich mich sehr schnell und intensiv in diese Thematik eingelesen. Heutzutage findet man ja alles Mögliche im Internet, wie auch Lektüre, wo ich das Werk von Jan Kohlmorgen lobenswert und äußerst hilfreich erwähnen muss „Der mittelalterliche Reiterschild“, welches auch eine Bauanleitung eines Re-enactment Schildes beinhaltet und sich bei der Produktion eines Replik den Focus auf die Marburger Schilde konzentriert, jedoch auch andere Schilde werden präsentiert. Zudem hat mir die Seite des Vereins „Historia Vivens“, welchen es in dieser Form wohl nicht oft geben dürfte, sehr geholfen. Die Mitglieder, für mich alles wahre Künstler, haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Mittelalter lebendig zu machen. 100e Reproduktionen, bis ins kleinste Detail recherchiert und identisch nachgebaut, zeugen von ihrem Talent und Schaffen. Hier kann man allen nicht genug danken, ohne deren Schaffen und hohem Interesse und der Liebe zur Thematik würde sehr vieles vergessen werden, daher Dank an alle, welche es auch mir dadurch ermöglichten, in diese Welt einzutauchen.
Für den Bau eines Schildes, welches bei Schaukämpfen bzw. Vollkontakt zum Einsatz kommt, war es mir vor allem wichtig, Schilde zu bauen, welche auch schwere Hiebe mit Schaukampfwaffen so unbeschadet als möglich überstehen und zudem auch die Machbarkeit und die Nachhaltigkeit, wobei man sich natürlich von einer identischen Bauweise, Verwendung identischer Materialien usw. teils verabschieden muss. Holz, ich verwende nur noch Buchenholz, Leder, echtes Naturleinen und handgeschmiedete bzw. geschnittene Nägel stellen hier nicht das Problem dar. Bei Leim und Farbe verwende ich jedoch herkömmlichen Kaltleim und wasserverdünnbare Acryllacke, welche eine weit kürzere Trockenphase haben und äußerst umweltfreundlich und strapazierfähig sind. Auch der Kreidegrund ist bei mir eigentlich komplett verschwunden. Historisch belegt sind auch Schilde ohne Kreidegrund zu finden. Der sichtbare Leinengrund, mehrmals mit Leimmilch bestrichen, bevor dieser bemalt wird, wirkt einfach sehr schön, wie ein Gemälde und ist ohne Kreidegrund gegen Schwert- oder Axthiebe weit unempfindlicher, es kommt zu keinen Abplatzungen. Wer die Leinenstruktur nicht mag: Geleimte Wandfarbe, welche aus reiner naturfarbenen Kreide produziert wird, eignet sich sehr gut dafür, diese rühre ich mit Leimmilch zu einem dicken Brei an und lasse diesen luftdicht rasten, das können auch Tage / Wochen sein, so lösen sich eventuell darin enthaltenen Knöllchen auf und trage diese Masse dann mit einer Spachtel, gedacht für Stucco Veneziano, mit Druck auf die mehrmals mit Leimmilch vorbehandelte und dadurch harte Leinenschicht (niemals wasserfesten Leim verwenden) auf. Der Vorgang kann mehrmals wiederholt werden und die Oberfläche ist komplett getrocknet auch gut schleifbar. Auf Reliefs mit Kreide Engobage, aufgebracht am besten mit einem einfachen Spritzsack, verzichte ich ebenfalls, ich schneide die auf das Schild aufzutragenden Elemente aus Leder zu und im Gegensatz zu historisch belegten Schilden, trage ich das Leder direkt auf das Holz auf und dann überziehe ich alles mit dem Natureinen, das Herausarbeiten des Reliefs ist zwar weit mehr Arbeit, aber so läuft die Leinenstruktur durch und kleine Lederteile sind unter der Leinenschicht besser gegen Hiebe geschützt.
Das ist eine einfache Sache, 3 Schichten 4 mm Buchensperrholz, diese wässere ich extrem heiß vor, damit sie sich leichter biegen lassen, werden mit dazwischen liegenden Leimschichten mithilfe von Spanngurten so weit gebogen, bis der gewünschte Radius erreicht ist. Damit der Radius exakt erhalten bleibt ist es wichtig, die Platten einfach links und rechts in passende U-Profilschienen zu legen, die Gurten zu spannen und die 3 Platten erst dann an den Rändern mit Hartholzleisten als Druckverteiler und Zwingen festzuspannen, so können sich die 3 Platten beim Biegen noch frei von den natürlich 3 verschiedenen Radien (Innen, Mitte, Außen) verschieben und man baut keine Spannung während des Trockenprozesses auf, was beim Lösen der Spanngurte zu einem Zurückfedern führen würde. Die Rohlinge lasse ich dann mindestens 2 Tage eingespannt trocknen. Danach wird die Form des Schildes mit der Stichsäge ausgeschnitten, hier behelfe ich mir mit Papierschablonen und die Kanten werden anschließend mit der Oberfräse gerundet und per Hand nachgeschliffen, fertig.
Für den Zuschnitt des nicht gerade günstigen Leinen verwende ich ebenfalls Papierschablonen, um Verschnitt zu sparen. Der Zuschnitt der Leder-Reliefs ist teils sehr aufwendig, Wappentiere, Buchstaben oder ähnliches haben oft sehr viele, kleine Detailformen. Hier kommt das Computerzeitalter zum Einsatz, was die meisten schlussendlich aber doch freuen wird, denn ich erstelle von den Wappen Vektorgrafiken, welche danach immer zur Verfügung stehen und auch Stickereien oder Ähnliches daraus in x-beliebiger Größe erstellt werden können. Die Grafik wird dann M 1 : 1 ausgedruckt und per Durchschreibpapier auf das Leder übertragen, ausgeschnitten und exakt am Schildrohling vollflächig aufgeklebt. Je nach Wappentier o. ä. besteht dieses meist aus mehreren Lederteilen, um Verschnitt, also wiederum Material und Kosten zu sparen. Anschließend bestreiche ich die Innenseite des Schild-Rohlings komplett mit herkömmlichem Kaltleim und trage die erste Leinenschicht auf. Sobald alles gut getrocknet ist, schneide ich überstehenden Leinen bündig zu den Kanten weg und bestreiche alles mit verdünnten Leim, die Konsistenz vom Leim ist etwa wie Sahne und lasse den Anstrich wieder trocknen. Nun folgt die Außenseite, wiederum mit unverdünntem Kaltleim vollflächig bestrichen ist es hier wichtig, den Leinen ohne Spannung auf die mit Leder-Reliefs beklebte Außenseite anzubringen, nur so hat man die Möglichkeit, den Leinenstoff faltenfrei über das Relief aufzuarbeiten, die Leder-Reliefs haben bei mir eine Stärke von 2 mm und ich arbeite immer von der Mitte weg nach außen. Der für die Außenseite per Papierschablone zugeschnittene Leinenstoff wird nun auch über die Kanten auf der Innenseite mit etwa 2 cm Überstand voll verleimt und nach dem trocknen wieder mit Leimmilch bestrichen. Wenn man mehrere Schilde zeitgleich macht, spart man sich viel Zeit, denn man kann durcharbeiten und die weiter darauf folgenden Leimmilch-Anstriche (mind. 2 Weitere) in Serie auftragen. Gut durchgetrocknet ist der Schild dann bereit bemalt bzw. versilbert und / oder vergoldet zu werden.
Ich male alles rein mit Pinseln ohne Abklebungen und verzichte auf Spraydosen, so erhält der Anstrich auch den nötigen „Handwerkscharakter“ und wirkt auf der Leinenstruktur zudem sehr hochwertig. Blattgold- bzw. Blattsilber trage ich in der Anlegetechnik auf, welche nach ca. 24 Stunden mit speziellem Klarlack versiegelt werden, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Sollten Elemente zum Vergolden sehr groß sein, verwende ich Blattgold-Effekt-Lack, um wiederum die Kosten nicht explodieren zu lassen. Die Innenseite der Schilde gestalte ich meist neutral in Grau, das ist natürlich jedem selbst überlassen, für welche Farbe man sich hier entscheidet. Dann erfolgt die Gestaltung der Außenseite, den ersten Anstrich unbedingt zügig und schnell durchführen, da der wasserverdünnbare Lack den nicht wasserfesten Kaltleim beginnt anzulösen. Sollte es doch zu Ablösungen kommen, auch Risse können sich während des ersten Trockenprozesses in der Lackschicht auftun, ist das kein Problem, denn es ist ohnehin notwendig, den Schild 2-fach zu bemalen. Beim zweiten Anstrich verschwinden solche Stellen. Ist alles fertig und gut durchgetrocknet, mattiere ich die Oberfläche mit feinem Fließ und patiniere mit einer aus wasserverdünnbaren Lacken hergestellten Patina per Schwamm, vor allem, wenn die Farben sehr intensiv sind. So erhält der Schild einen antiken Touch und auch Verletzungen durch Schwert oder Axt fallen nicht so auf. Sollte es dennoch mal zu Verletzungen der Lack-Leim-Leinenschicht kommen, lassen sich diese einfach mit wasserfestem Express-Leim sehr schnell reparieren und eine Restaurierung der Lackschicht ist meist nicht nötig. Spuren von Schwertern oder Äxten usw. tragen eigentlich sogar dazu bei, den Schild noch authentischer wirken zu lassen. Einige aufmerksame Leser werden sich nun denken, was ist denn mit den Riemen und der Polsterung, der Schild ist nun eigentlich optisch von außen betrachtet bereits fertig? Dazu komme ich im nächsten Absatz.
Aus einer Vielzahl an verschiedenen Techniken, welche im Mittelalter verwendet wurden, habe ich mich für die „extremste“ aber für mich einfach schönste Art der Befestigung entschieden. Es werden handgeschmiedete Nägel durch den fertigen Schild (vorbohren) geschlagen, auf der Rückseite werden die Riemen dann mit dem Nagel durch 2 Löcher fixiert. Dabei wird der ca. 5 mm starke Nagel an mit einer Rundfeile verjüngten Stellen 2x gebogen und die Spitze auf der Rückseite durch den Riemen wieder in den Schild geschlagen, das hält ein Leben lang. Auch hier arbeite ich wieder mit Papierschablonen, erstens, um die Löcher passend zu bohren, aber auch Schablonen, um die Riemen schnell und einfach produzieren zu können. Wichtig beim Einschlagen ist ein guter, harter Untergrund und Vorsicht, damit man den bereits fertig gestalteten Schild nicht verletzt. Die auf der Außenseite nun sichtbaren schwarzen, handgeschmiedeten Nagelköpfe verleihen dem Schild zudem eine starke und massive Ausstrahlung und unterstreichen die handwerkliche Qualität und die historische Optik. Die Polsterung mache ich aus bestem, ca. 4 mm dickem, weichen Leder, diese Schneide ich passend zwischen die Riemen und alles wird mit reiner Schaf-Schurwolle gut gefüllt und mit geschnittenen Nägeln gut aufgenagelt. Hier spare ich nicht, denn die Polsterung muss auch mal ohne Gambeson einen guten Schutz für Handgelenke und Ellbogen liefern.
Wenn man sich intensiv mit Reiterschilden beschäftigt und so durch Europa schaut, wird einem schnell klar, dass es eine Unzahl an Schildformen gab, auch zeitgleich, nicht nur durch die Epochen unterschiedlich. Hier denke ich, ist das auch absolut nachvollziehbar, denn jeder Ritter, welcher sich einen Schild anfertigen ließ, hatte sicher auch damals schon seine Sonderwünsche, zudem gab es europaweit nicht nur Einen, welcher Schilder produzierte und eine einheitliche Norm dafür gab es auch nicht. Vieles wurde sicher auch erobert, vom Schlachtfeld mitgenommen und gute Ideen übernommen, sodass es zu Ähnlichkeiten kam. Schlussendlich soll ein Schild natürlich zur Epoche des Ritters passen, welchen man darstellen möchte und man muss sich mit dem Schild auch wohlfühlen. Man hat aber eine große Auswahl an Schildformen in Formdetails und Größe, womit man sich für diese Form entscheiden kann, welche einem am besten gefällt und passt. Sehr schön z.B. der Naumburger Typ, oder die frühe Manesse Form, ein kleiner, formschöner und intelligenter Schild, oder die großen Schilde der Normannen u.v.m. Je nach Größe des Ritters dürfen also auch die Schilde in der Größe und Form, passend zu den Epochen und Wünschen des Ritters unterschiedlich sein, das zeigen alleine schon alle Exponate in den Museen Europas und Abbildungen aus der Zeit, welche man in Bibliotheken findet, dazu führten mich zumindest meine Recherchen.
Dafür runde ich die Ecken der Schilde mit 3 cm Radien ab, will jemand eine Umrandung, bleiben die Ecken jedoch spitz. Die Umrandung mache ich nicht aus Rohhaut, sondern aus 4 mm starkem Fettleder. Exakt auf Gehrung zugeschnittene, 7 cm breite Lederstreifen, vernähe ich dazu vor der Montage an den Ecken zu einem Teil, welcher dann auf den Schild aufspannt und wiederum mit geschnittenen Nägeln in ca. 5 cm Abständen innen und außen gut vernagelt wird.
So, das war's auch schon, ich hoffe ihr habt meine Art der Produktion eines Reiterschildes mit Interesse gelesen und vielleicht kann ich damit auch dem Einen oder Anderen ein wenig weiterhelfen, was mich sehr freuen würde. Es gibt natürlich massenhaft Beschreibungen im Netz und jeder wird natürlich die für ihn passendste Variante wählen. Schlussendlich geht aus auch nicht darum wie man einen schaukampftauglichen Schild produziert, welcher ohnehin kein Replik darstellt, sondern um die Freude am Mittelalter.
Bilder / Copyright
Ich habe die Produktion einiger Schilde und Einzelteile davon bildlich festgehalten und werde immer wieder mal neue Bilder über unseren Verein online stellen. Falls jemand meine Bilder auf seiner Homepage, Facebook, Pinterest, Instagram o.ä. verwenden möchte, kann er das gerne machen, als Copyright einfach meinen Namen „Mario Haselberger“, und einen aktiven Direktlink auf die Seite unseres Vereins https://www.securi-et-gladio.at/ angeben. Bitte verständigt uns einfach per E-Mail.
Vielen Dank für euer Interesse
Mario Haselberger
Quellen
Lektüre: Jan Kohlmorgen „Der mittelalterliche Reiterschild ISBN: 3-935616-10-4 | Verein: Historia Vivens: https://www.historiavivens1300.at/index.html | Internetseiten der Museen in ganz Europa, Innsbruck, Zürich, Heidelberg, Marburg u.v.m. | Digitale Bibliotheken in Heidelberg, Innsbruck usw. | Eine umfangreiche Bildersammlung europäischer Reiterschilde, Pavesen usw. findet ihr hier: https://vk.com/album-11029306_232266205